Schuldenbremse in Deutschland

Die Schuldenbremse in Deutschland begrenzt die Neuverschuldung von Bund und Ländern und ist politisch oft umstritten.

Doch was ist die Schuldenbremse überhaupt und wie funktioniert diese?

In diesem Ratgeber erkläre ich, was es mit der Schuldenbremse auf sich hat und haben Ihnen die Vorschriften, Regeln und Ausnahmen zusammengestellt.

Auf einen Blick

  • Die Schuldenbremse wurde 2009 vom Bundestag und vom Bundesrat beschlossen. Sie ist seither ein Teil der deutschen Verfassung
  • Die Schuldengrenze für den Bund besagt, dass dieser im laufenden Jahreshaushalt maximal Kredite in Höhe von 0,35% vom Bruttoinlandsprodukt aufnehmen darf
  • Sie finden auf meiner Webseite alle Regeln und Vorschriften, die mit der Schuldenbremse verbunden sind. Gleichzeitig gehe ich kurz auf den aktuellen politischen Diskurs ein. Ökonomen, Politiker und Verbände stehen sich in der Beurteilung der Schuldenbremse recht unversöhnlich gegenüber

Was ist die Schuldenbremse?

Die Schuldenbremse wurde von der Föderalismuskommission des Bundestages und des Bundesrates im Jahre 2009 beschlossen. 2011 ist sie in Kraft getreten. Die Schuldenbremse steht in der deutschen Verfassung. Sie enthält verbindliche Vorgaben zur Reduzierung des Haushaltsdefizits beim Bund und den Ländern.

Die Vorschrift im Grundgesetz besagt, dass für den Staat eine strukturelle Neuverschuldung verboten ist. Konkret heißt dies, dass es keine von der Konjunktur abhängige neue Kreditaufnahme geben darf. Maximal wird im Grundgesetz die nominelle neue Kreditaufnahme pro Haushaltsjahr auf 0,35% vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) beschränkt.

Warum wurde die Schuldenbremse eingeführt?

Die Schuldenbremse wurde nach der Finanzkrise 2007/08 eingeführt. Der Bund hatte damals mehrere Konjunkturprogramme aufgelegt, die zu einer riesigen Neuverschuldung führten, konkret:

  • Finanzmarktstabilisierungsgesetz in Höhe von 400 Milliarden Euro
  • Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ in Höhe von 50 Milliarden Euro
  • Konjunkturprogramm „Entschlossen in der Krise, stark für den nächsten Aufschwung“ in Höhe von 14 Milliarden Euro

Aufgrund diese Schuldenanhäufung schlug die Föderalismuskommission die Einführung der Schuldenbremse vor. Bundestag und Bundesrat gaben grünes Licht. Die Schuldenbremse ist seither in Art. 109 Abs. 3 Grundgesetz (GG) zu finden.

Die genauen Vorschriften für Bund und Länder

Für Haushalte von Bund und Ländern gab es in der Folge die eine oder andere Übergangsregelung. Die Schuldenbremse wurde quasi Step-by-Step eingeführt. Für den Bund ist die maximale Kreditaufnahme von 0,35% vom BIP zum Beispiel seit 2016 verpflichtend. Für die Bundesländer ist die Nettokreditaufnahme ab dem Jahr 2020 vollständig untersagt. Die Länder haben die Regeln teilweise in ihre Landesverfassung eingefügt. Da einige Bundesländer weit von den Kriterien der Schuldenbremse entfernt waren, unterstützte der Bund diese in den Jahren 2011 bis 2013 mit Sonderzuweisungen, konkret:

  • Bremen 300 Millionen Euro im Jahr
  • Saarland 260 Millionen Euro in Jahr
  • Berlin 80 Millionen Euro im Jahr
  • Sachsen-Anhalt 80 Millionen Euro im Jahr
  • Schleswig-Holstein 80 Millionen Euro im Jahr

Einführung der Schuldenbremse in den Bundesländern

In der folgenden Tabelle sehen Sie, zu welchem Zeitpunkt jedes Bundesland die Schuldenbremse eingeführt hat.

Schuldenbremse in den Bundesländern
LandSchuldenbremseSeit
Baden-WürttembergJa26.05.2020
BayernJa01.01.2020
BerlinNein
BrandenburgJa01.01.2020
BremenJa01.01.2020
HamburgJa01.01.2019
HessenJa01.01.2020
Mecklenburg-VorpommernJa01.01.2019
NiedersachsenJa01.01.2020
Nordrhein-WestfalenNein
Rheinland-PfalzJa01.01.2020
SaarlandNein
SachsenJa01.01.2014
Sachsen-AnhaltJa20.03.2020
Schleswig-HolsteinJa01.01.2020
ThüringenNein

Ausnahmen: Besondere Regeln

Die deutsche Begrenzung der Fiskalregeln lässt der Haushaltsplanung im Finanzministerium aber eine gewissen Spielraum, sprich – es gibt Ausnahmen. Eine höhere Neuverschuldung ist möglich, wenn:

  1. Kreditaufnahmen sind möglich, wenn die konjunkturelle Entwicklung vom Normalmaß abweicht, in der Regel bei einem konjunkturellen Abschwung. Die Auslegung dieser Regel ist umstritten, da es keine genaue Formel oder Bestimmung gibt, wann das Normalmaß nicht erreicht ist.
  2. Eine höhere Staatsverschuldung ist in Notsituationen erlaubt. Beste Beispiele hierfür in der jüngeren Vergangenheit waren die Finanzkrise und die Corona-Pandemie. Entsprechende Kredite müssen auf einem Kontrollkonto festgehalten werden und konjunkturell getilgt werden. Die Höhe das Kontrollkredits, der in seiner Form mit dem Dispokredit vergleichbar ist, ist auf 1,5% vom BIP beschränkt.

Zusätzlich zur Schuldenbremse hat die Bundesregierung 2010 ein Frühwarnsystem geschaffen, das Haushaltsnotlagen erkennen soll. Der Stabilitätsrat überwacht die Haushaltsführung von Bund und Ländern und greift frühzeitig in die Planung ein.

Weitere Haushaltsvorschriften für den Bund

Die Bundesregierung ist bei der Haushaltsplanung nicht nur an die nationalen Vorschriften im Grundgesetz gebunden. Sie muss weiterhin die europäischen Kriterien beachten. Konkret handelt es sich dabei um die Vorschriften aus dem Maastricht-Vertrag – Stabilitäts- und Wachstumspakt – von 1992. Diese besagen, dass die Schuldenquote eines Landes im Höchstfall 60% vom Bruttoinlandsprodukt betragen darf. Aktuell liegt die Staatsverschuldung in Deutschland mit einer Schuldenquote von 63,7% (Ende Jahr 2023) leicht über den Maastricht-Kriterien. Zu beachten ist zudem, dass die Kreditaufnahme nicht höher als 3% vom BIP sein darf.

Schuldenbremse in den Kommunen

Die offizielle Schuldenbremse von Bund und Ländern gilt erst einmal nicht für die Kommunen. Richtig ist aber, dass es in den Landkreisen, Städten und Gemeinden ebenfalls Haushaltsregeln gibt, die im kommunalen Haushaltsrecht der Bundesländer festgeschrieben sind. Fachlich wird von der Begrenzung der Kommunalschulden (Kommunalschuldenbremsen) gesprochen.

In der Praxis wird zwischen Vorschriften für Kredite/Investitionskredite (Investitionskredit-Schuldenbremsen) und Regelungen zur Begrenzung der Kassenkreditaufnahme (Kassenkredit-Schuldenbremsen) unterschieden. Des Weiteren gibt es in Deutschland einige wenige Städte, die die kommunalen Schuldenbremsen in ihren eigenen Haushaltsvorschriften verankert haben, beispielsweise Dresden und Mannheim.

Schuldenbremse in anderen Staaten

Die Schuldenbremse ist keine deutsche Erfindung. Die erste Schuldenbremse hat die Schweiz bereits 2001 eingeführt. Vergleichbar sind die Regeln in der Schweiz mit Deutschland aber nicht. Ich blicke folgend kurz auf anderen Staaten:

  • Schweiz: Die Schuldenbremse der Schweiz steht in der Verfassung. Sie erlaubt Defizite in wirtschaftlich schwachen Phasen, fordert jedoch Überschüsse bei einem Aufschwung.
  • USA: Die USA hat eine Obergrenze für die Staatsverschuldung. Ist dies erreicht, müssen die Parlamentarier beider Kammern einer Erhöhung zustimmen.
  • Dänemark: Die dänische Schuldenbremse ist mit der Kreditaufnahmeregel in Deutschland vergleichbar.
  • Entwicklungsländer: Hochverschuldete Entwicklungsländer müssen sich an internationale Schuldenbremsen halten, um neue Kredite vom IWF (Internationaler Währungsfonds) oder der Weltbank zu erhalten.

Im Fazit kann gesagt werden, dass die Schuldenbremsen sowohl in Industrieländern als auch in Schwellen- und Entwicklungsländern verbreitet sind. Defizit- und Schuldenregeln (Fiskalregeln) sind dabei weit verbreitet. Einnahmeregeln, die ebenfalls die Verschuldung begrenzen können, sind eher selten. Innerhalb der Europäischen Mitgliedsstaaten haben sich 22 Länder verpflichtet, die fiskalischen Regeln aus dem Maastricht-Vertrag in nationale Gesetze einfließen zu lassen. Geschehen ist dies aber nicht immer verfassungsrechtlich.

Diskurs: Die Meinungen zur Schuldenbremse

Die aktuellen Diskussionen zur Schuldenbremse haben 2022, 2023 und 2024 nochmals an Fahrt gewonnen. Aufgrund des Ukraine-Krieges und den Folgebelastungen aus der Corona-Pandemie hat das Finanzministerium große Probleme, einen verfassungsmäßigen Haushalt aufzustellen.

Linke Politik für Aufhebung der Schuldenregulierung

Das linke Spektrum der deutschen Bundespolitik (SPD, Grüne, Linke, BSW) fordert die Aussetzung der Schuldenbremse, eine Reform und teilweise sogar die komplette Abschaffung des Paragrafen im Grundgesetz.

Begründet wird die Auffassung damit, dass Deutschland schon heute nicht mehr in der Lage sei, alle Verpflichtungen zu erfüllen. Es gibt einen riesigen Investitionsstau, der nur mit der Aufnahme neue Kredite verringert werden kann.

Konservative Politik für Einhaltung der Schuldenbremse

Die konservative Seite widerspricht vehement. Für CDU/CSU, FDP und AfD hat die Haushaltsdisziplin indes oberste Priorität. Der Staat darf nicht über seine Verhältnisse leben. Es kann nur Geld ausgegeben werden, was vorher eingenommen wurde. Neue Schulden dürfen nicht zu Lasten kommender Generationen gemacht werden.

Meinungen von Wissenschaftlern zur Schuldenbremse

So umstritten die Schuldenbremse in der Politik ist, so unterschiedlich sind die Einschätzungen von Ökonomen. Ich habe ihnen einige Kernaussagen von renommierten Wirtschaftswissenschaftlern zusammengestellt.

  • Peter Bofinger, Gustav Horn und weitere 100 Ökonomen sprachen sich bereits 2009 gegen die Einführung einer Schuldenbremse aus.
  • Lars Feld und Paul Kirchhof vertreten die Ansicht, dass die Schuldenbremse der Defizitneigung der Politik entgegenwirkt.
  • Achim Truger argumentiert, dass mit der Schuldenbremse akzeptierte ökonomische Prinzip der Goldenen Regel der Finanzpolitik konterkariert wird.
  • Tom Krebs vertritt die Meinung, dass sich eine Gesellschaft erst an künftigen Generationen versündigt, wenn eine kaputte Wirtschaft und ein zerstörtes Klima hinterlassen werden.
  • Forscher um Michael Hüther und Jens Südekum kamen zum Schluss, dass Deutschland durch die strenge Fiskalpolitik leidet. Nötige Investitionen würden nicht vorgenommen.
  • Joseph Stiglitz sieht die Schuldenbremse gerade in Zeiten des ökonomischen Wandels kritisch.
  • Joachim Scheide weist darauf hin, dass die Ausweitung der Staatsausgaben nicht zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führt.

Wie konträr der Umgang mit der Schuldenbremse ist, zeigen zwei Umfragen. 2019 sprachen sich 57% der 120 befragten Volkswirte beim ifo-Ökonomenpanel für die Beibehaltung der Schuldenbremse aus. Im Dezember brachte eine Befragung vom ifo Institut und der FAZ unter 187 Volkswirtschaftsprofessoren folgendes Ergebnis:

  • 48% Zustimmung für die aktuellen Vorschriften
  • 44% für eine Reform der Schuldenbremse
  • 6% für die vollständige Abschaffung der Schuldenbremse
  • 2% unentschieden

Pro und Contra Schuldenbremse

Letztlich ist es unmöglich, in Bezug auf die Schuldenbremse in Deutschland ein einhellige Meinung zu finden. Wertfrei habe ich ihnen folgend die Vor- und Nacheile der Schuldenbremse zusammengestellt.

Vorteile der Schuldenbremse:

  • Kontinuierliche Erhöhung der Staatsschuldenquote kann gestoppt oder umgekehrt werden
  • Zukünftige Generationen werden vor zu hoher Schuldenlast geschützt
  • Politik wird zur stärkeren Prioritätensetzung bei den Ausgaben und zur Haushaltsdisziplin angehalten
  • Solide Finanzpolitik trägt zur Stabilität in der Eurozone bei
  • Strikte Finanzpolitik stärkt das Vertrauen an den Finanzmärkten

Nachteile der Schuldenbremse:

  • Öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder Klimaschutz werden eingeschränkt
  • Die Möglichkeiten für staatliche Maßnahmen in Krisenzeiten werden beschränkt. Es fehlt an Flexibilität
  • Viele Kosten werden von Bund und Ländern auf die Kommunen verlagert
  • Das Angebot an Staatsanleihen für Investoren wird verringert
  • In wirtschaftlich guten Zeiten kann die Schuldenbremse zu unverhältnismäßigen Ausgaben verleiten

Kann die Schuldenbremse aufgehoben oder verändert werden?

Ja, eine Veränderung oder eine komplette Abschaffung der Schuldenbremse sind möglich. Wirklich einfach ist dies aber nicht. Da es sich um eine Verfassungsänderung handelt, müsste ein entsprechender Antrag im Deutschen Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten. Schaut man auf die hiesige politische Landschaft, wird klar, dass eine Verfassungsänderung faktisch unmöglich ist.

Die zurückliegenden Jahre haben gezeigt, dass die Schuldenbremse von der Regierung indes oft durch die Aufstellung von Sonderhaushalten umgegangen wird. Ich denke zum Beispiel an das 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr und an die Corona-Hilfe. Das Bundesverfassungsgericht hat das Vorgehen bestätigt, aber dabei klar festgeschrieben, dass diese Gelder nicht auf andere Haushaltsbereiche übertragbar sind.

Fazit: Schuldenbremse wird umstritten bleiben

Die Schuldenbremse wird auch in den kommenden Jahren ein umstrittenes Thema in Deutschland sein. Ich gehe nicht davon aus, dass der Staat die Vorschriften zur Begrenzung der Verschuldung in absehbarer Zeit ändern wird.

Ob die Schuldenbremse mehr Vor- der Nachteile hat, kann jeder Leser für sich entscheiden. Es gibt von Befürwortern und Kritikern nachvollziehbare Begründungen.

Fragen und Antworten

Im FAQ-Bereich habe ich ihnen abschließend nochmals einige wichtige Details zur Schuldenbremse in Deutschland zusammengefasst.

Seit wann gibt es die Schuldenbremse?

Die Schuldenbremse wurde 2009 beschlossen, seit 2011 ist sie in Kraft. Weitere Informationen finden Sie unter „Was ist die Schuldenbremse?“.

Gilt die Schuldenbremse nur für den Bund oder auch für die Länder?

Die Schuldenbremse gilt für Bund und Länder. Noch haben nicht alle Bundesländer die Regeln in der Landesverfassung stehen, siehe „Einführung der Schuldenbremse in den Bundesländern“.

Wie kann die Schuldenbremse aufgehoben werden?

Das Schuldenbremse in der Verfassung steht, wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag benötigt, nachzulesen im Abschnitt „Kann die Schuldenbremse aufgehoben oder verändert werden?“.

Wie wird die Schuldenbremse bewertet?

Die Schuldenbremse ist in Politik und Wirtschaft umstritten. Einige Standpunkte finden Sie unter „Diskurs: Die Meinungen zur Schuldenbremse“.

Gibt es die Schuldenbremse nur in Deutschland?

Eine Schuldenbremse gibt es nicht nur in Deutschland. Auf andere Länder blicke ich im Abschnitt „Schuldenbremse in anderen Staaten“.